Das Festival wird für unsere Patienten veranstaltet, die bewiesen, dass sie trotz Hörprobleme ihre musikalische Passion entfalten können – betonte Prof. Henryk Skarżyński am Anfang. Die diesjährige Ausgabe des Festivals wurde unter dem Namen „Klangfülle auf der anderen Seite des Spiegels“ veranstaltet. Dahinter steckt diese Botschaft: „Wenn du nicht nach draußen ausgehen kannst, kehr in dein Inneres zurück. Hör dir selbst zu, denn dadurch kannst du die Musik noch intensiver erleben“. Das in Kajetany veranstaltete Konzert wurde zu einer Gelegenheit für in der ganzen Welt zerstreute Implantatträger, sich selbst und den Liedern zuzuhören, die von Patienten des Institutes für Physiologie und Pathologie des Gehörs – Finalisten der vorherigen Ausgaben vorgeführt wurden. – Ihre früheren Auftritte auf der Bühne trieben mir nicht einmal Tränen in Augen – wie sich Prof. Henryk Skarżyński erinnerte. – Und bleiben stets lebendig in unseren Herzen – fügte Maciej Miecznikowski hinzu und betonte, dass das diesjährige Finale des Festivals ein Konzert der Erinnerungen ist.
Dieses gemeinsame Erinnern eröffnete Estera Łabiga, Preisträgerin der ersten Ausgabe der „Schneckenrhythmen“, die gemeinsam mit ihrer Geige spielenden Schwerster Laura und mit Flügelbegleitung von Paweł Bogdanowicz das Stück „Run to you” von Whitney Houston mit der Querflöte vorführte. Es muss betont werden, dass Estera, die 2015 als Schülerin einer Musikoberschule im Festival auftrat, heute bereits eine professionelle Musikerin ist.
Dr. med. Małgorzata Strycharz-Dudziak, eine der ersten Patientinnen, bei denen Prof. Henryk Skarżyński ein Cochlea-Implantat implantierte, die ihn durch ihr schönes Flügelspielen während verschiedener Events im Institut für Physiologie und Pathologie des Gehörs zur Veranstaltung des Festivals „Schneckenrhythmen“ inspirierte, begeisterte die Gäste mit einer dynamischen Vorführung des nicht leichten Stücks „Polka” von Dmitri Schostakowitsch. Wie geht es Małgosia? Trotz der täglichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Berufsarbeit (als Assistant Professorin an der Medizinischen Universität Lublin) vergisst sie ihre Leidenschaft nicht. Jetzt teilt sie die Passion mit dem einige Jahre alten Sohn, der eine Musikschule besucht. Während der Pandemie, als es Online-Unterricht gab, half sie ihm bei Musikübungen, die von Lehrern aufgegeben wurden. Effekt? Das Schuljahr mit einer Eins abgeschlossen!
Ein weiterer Patient und Künstler, der am diesjährigen Konzert teilnahm, ist ein leidenschaftlicher Schlagzeuger, der musikalisch vor unseren Augen aufwuchs und reifte. Es ist der Olaf Kaca, der jedes Jahr das Publikum mit dynamischen Vorführungen bekannter Werke mitreißt. „Ich habe richtig gerockt!“, wie er lächelnd nach dem Auftritt sagte. Im Konzert spielte Olaf, der gerade 18 geworden ist, „Help“ von The Beatles.
Jedes Jahr bietet uns Weronika Niczyporuk, deren Stimme überraschend ähnlich wie die von Anna German klingt, eine neue Dosis Rührung. Es war auch jetzt der Fall: Auf der Bühne in Kajetany sang sie das ergreifende Lied „Jesteś moją miłością“ (dt. „Du bist meine Liebe“). Aktuell studiert Weronika Psychologie, aber Gesangunterricht und Stimmtraining sind für sie genauso wichtig, weil die Preisträgerin der „Schneckenrhythmen“ von einer Musicalkarriere träumt. Sie trat bereits einmal auf einer Musicalbühne auf, als das Musical „Unterbrochene Stille“ nach dem Libretto von Prof. Henryk Skarżyński aufgeführt wurde. – Wenn die Pandemie vorüber ist, versuche ich mich vielleicht im Casting für ein weiteres Musical – wie Veronica nach seinem Auftritt sagte.
„Mit dir will ich die Welt sehen” – einen solchen Titel hat ein bekanntes polnisches Lied, das ehemals von Zdzisława Sośnicka und Zbigniew Wodecki gesungen wurde; im Konzert konnten wir es Paweł Sepioł, den letztjährigen Preisträger des Festivals, und seine Ehefrau singen hören, die Musiktherapeutin ist und Unterricht mit kleinen Patienten des Instituts für Physiologie und Pathologie des Gehörs im Rahmen des Programms „Musik in der Entwicklung des Menschen“ hält. Es muss daran erinnert werden, dass das Eheduo in der fünften Ausgabe des Festivals das bekannte Lied von Paweł Domagała u.d.T. „Weź nie pytaj“ (dt. „Frag bitte nicht“) sang. Das Publikum war bewegt, weil das Werk von Paweł Sapioła, der plötzlich sein Gehör auf einem Ohr verlor, dabei eine besondere Bedeutung hatte.
Die Patienten-Künstler wurden durch das Streichquartett Bonjour begleitet. Den Festivalerinnerungen bereicherte es mit bekannten und beliebten Werken der klassischen Musik. Während des Konzertes konnten wir u.a. „Aria auf der G-Saite“ von Johann Sebastian Bach, „Wassermusik“ von George Friedrich Händel, Walzer von Dmitrij Shostakovich (aus dem Film „Anna Karenina“ bekannt), „Tanz der Zuckerfee“ aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von Pjotr Tschaikowski und den hinreißenden Tango „Jalousie“ (Französisch für Eifersucht) von Jacob Gade hören, der einige Gäste zum Tanzen hinriss.
– Mit dem Talent ist es so, dass wir desto mehr davon haben, je mehr wir es teilen. Es muss aber eine Gelegenheit dafür sein – wie der Moderator des Konzertes Maciej Miecznikowski sagte. Für musikalisch begabte Personen mit Hörschäden ist das Festival „Schneckenrhythmen“ eben eine solche Gelegenheit. Viele Personen, die dank Hörimplantaten hören und in den letzten Jahren sogar aus entlegensten Orten der Welt nach Warschau kamen, um hier vor einer professionellen Jury und anschließend auf der Bühne aufzutreten, sehen das Ereignis als das Abenteuer ihres Lebens an, das sie zur weiteren Arbeit motiviert. Das ergibt sich aus den Aussagen der Teilnehmer der früheren Ausgaben der „Schneckenrhythmen“, die wegen Pandemie zwar nicht in der Lage waren, nach Polen zu kommen, aber Kurzfilme über ihre Erinnerungen an das Festival aufnahmen und übersandten. Dazu gehörten u.a.: Davide Santacolomba, ein herausragender Klavierspieler aus Italien, Dejan Zivkovic, ein phänomenaler Akkordeonist und Vsevolod Khmelnitskij, ein russischer Klavierspieler, einer der talentiertesten Jugendlichen, die am Festival teilnahmen. Alle betonten, dass das auf Initiative von Prof. Skarżyński veranstaltete Musikevent ihr Leben besser gemacht hat. Sie nutzten die Gelegenheit und bedankten sich dafür bei dem Professor.
Ein kleines Konzert, das im Garten des Hör- und Sprachzentrums „Medincus“ stattfand, war ein Anlass nicht nur zum Spaß, sondern auch zum Nachdenken. Unter den aktuellen Umständen wird ein Treffen bei Musik zu einem besonderen Ereignis, das zumindest teilweise die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Erleben und nach Menschen stillt, die ähnlich denken und fühlen. Wir brauchen uns einfach einander – wie die Mitmoderatorin des Konzertes Dominika Domagała zur Melodie des bekannten Liedes von The Blues Brothers „Evrybody needs somebody to love” sang.
Im Finale wurde die Hymne des Festivals “Die Welt, die ich höre“ wie jedes Jahr vorgeführt, diesmal von Maciek Miecznikowski und Dominika Kościelniak. Es ist erwähnenswert, dass Dominika die Hauptfigur in dem Musical „Unterbrochene Stille“ spielte, dessen Textbuch von Prof. Henryk Skarżyński geschrieben wurde, der sich durch Geschichten seiner schwerhörigen, aber musikalisch talentierten Patienten inspirieren ließ. Das Musical hatte seine Uraufführung im vorigen Herbst in der Kammeroper in Warschau. Wir erinnerten uns gerne während des Festivals an das Ereignis, als wir einen Film über die Entstehung des Musicals ansahen. Zusätzlich im Rahmen der diesjährigen Ausgabe der „Schneckenrhythmen“ fand eine Vorführung des Films „Meine Mondscheinsonate“ statt. Es ist eine Geschichte über eins der überraschendsten Talente, das während des Festivals entdeckt wurde – über den Pianisten Grzegorz Płonka.
Zum Abschluss des Konzertes lud Prof. Henryk Skarżyński alle zum nächsten Festival im Jahr 2021 ein. Die Tradition der „Schneckenrhythmen“ wird fortgesetzt, aber – wie der Professor bemerkte – wir werden bestimmt diese untypische 6. Ausgabe auf eine besondere Art und Weise im Gedächtnis behalten.