Aus dem Bericht ergeht, dass bis 2050 die Zahl der Menschen mit unterschiedlichen Hörproblemen auf mehr als 2,5 Milliarden ansteigen wird. Wenn keine effektiven Präventions- und Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, werden mindestens 700 Millionen dieser Menschen eine dauerhafte Betreuung und Hörrehabilitation benötigen. Die überwältigende Mehrheit dieser Menschen wird in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen leben, in denen der Zugang zu notwendigen medizinischen Leistungen fehlt.
In den meisten Ländern sind HNO-Heilkunde und Audiologie nicht Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, so dass der Zugang zur Diagnostik und Behandlung von Ohrerkrankungen und Hörstörungen schwierig ist. Das größte Problem ist jedoch der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Von den Ländern mit niedrigem Einkommen haben etwa 78 % weniger als einen HNO-Arzt pro 1 Million Einwohner; 93 % haben weniger als einen Audiologen pro 1 Million Einwohner. Nur 17% dieser Länder haben einen oder mehr Logopäden pro 1 Million Einwohner und 50% einen oder mehr Surdopädagogen. Selbst in Ländern mit einer relativ großen Anzahl von Fachkräften, die sich mit Behandlung von Hörstörungen befassen, hat nicht jeder Patient einen gleich einfachen Zugang zu ihnen.
Diese Lücke kann minimiert werden, indem Betreuung von Menschen mit Hörstörungen in die allgemeine Gesundheitsvorsorge integriert und zugänglicher gemacht wird, u. a. mit Hilfe von telemedizinischen Maßnahmen, die sich bei der COVID-19-Pandemie von einer technologischen Neuheit zu einem unverzichtbaren Instrument beim Patientenkontakt entwickelt haben.
„Ich bin davon überzeugt, dass diese Änderung für die Patienten von großem Nutzen sein wird, auch nachdem die Pandemie vorbei ist“, sagt Prof. Henryk Skarżyński, Gründer und Direktor des Welthörzentrum des Instituts für Physiologie und Pathologie des Gehörs. „Es gibt kein Gesundheitssystem auf der Welt, das jedem von uns den gleichen Zugang zu Fachärzten im herkömmlichen Sinne ermöglicht, und es wird auch keins geben. Vor diesem Hintergrund begann ich vor über 20 Jahren mit der Teleberatung und suchte nach einer Möglichkeit, unsere Behandlungsleistungen, insbesondere die Hörrehabilitation, für die Patienten so zugänglich wie möglich zu machen. Die Telemedizin schien bereits damals der einzige Weg zu sein, um Kosten zu senken, die Reisezeit und die Entfernung, die ein Patient zurücklegen musste, um einen Facharzt zu erreichen, zu reduzieren und gleichzeitig den Patienten ein Höchstmaß an Service zu bieten. Derzeit hat sich die Situation verbessert, weil wir dieses System um die E-Beratung und die E-Vorstellung erweitert haben, die natürlich dank der Finanzierung durch den Nationalen Gesundheitsfonds für die Patienten kostenlos sind. Die COVID-19-Epidemie hat dazu geführt, dass wir nicht nur über etwas diskutieren, sondern es immer universeller umsetzen, indem wir unsere Einrichtungen und unsere beiden Telemedizin-Studios systematisch verbessern“, fügt Prof. H. Skarżyński hinzu.
Der diesjährige Welttag des Hörens steht unter dem Motto „Zugängliche Behandlung und Rehabilitation für alle: Screening, Rehabilitation und Kommunikation“. Aufgrund der Einschränkungen durch die herrschenden Pandemie werden die Feierlichkeiten hauptsächlich online stattfinden. Die Veranstalter hoffen, dass diese Form der Kommunikation vor allem junge Menschen anspricht, an die sich ein großer Teil der Bildungs- und Aufklärungsaktivitäten richtet. Viele der Ursachen, die zu Hörverlust bei Kindern und Jugendlichen führen, sind vermeidbar. Die WHO schätzt, dass 60% der Hörverluste in dieser Gruppe durch zu lautes Musikhören, insbesondere mit In-Ear-Kopfhörern, verursacht werden.
„Probleme im Zusammenhang mit Hörstörungen sind zu Beschwerden geworden, die wir sehr oft als Zivilisationskrankheiten bezeichnen können“, – betont Prof. H. Skarżyński. „Früher war es normal, dass es bei einem 70-jährigeren zum Hörverlust kam. Die gegenwärtige zivilisatorische Entwicklung, der allumfassende Umweltlärm, In-Ear-Kopfhörer, laute Musik schon seit der frühen Kindheit verursachen, dass sich die Grenze von 70 auf ein Alter von 50 verschiebt.“
In Polen ist das Institut für Physiologie und Pathologie des Gehörs, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, führend unter den Institutionen und Krankenhäusern, die verschiedene Arten von Hörstörungen behandeln. Es ist eine Einrichtung mit einer sehr hohen Stellung im In- und Ausland, in der beinahe eine halbe Million unterschiedlicher chirurgischer Eingriffe, mehr als 4 Mio. Untersuchungen und Beratungen durchgeführt worden sind, und das Institut betreut u.a. mehr als 10 Tausend Implantatträger. Seit ca. 20 Jahren werden hier weltweit die meisten Eingriffe im Bereich Otochirurgie, d.h. hörverbessernde Operationen, durchgeführt. Im Institut sind mehrere nationale und internationale Projekte, wegweisende wissenschaftliche und klinische Programme, deren Ergebnisse neue Maßstäbe für das Therapiemanagement setzen, umgesetzt worden,“
Das Institut war einer der Hauptpartner des 1998 in Mailand verabschiedeten Europäischen Wissenschaftlichen Konsenses über die Früherkennung von Hörfehlern bei Neugeborenen und 2011 der Hauptinitiator der Unterzeichnung des Europäischen Wissenschaftlichen Konsenses über die Erkennung von Hör-, Seh- und Sprachstörungen in Warschau während der polnischen EU-Präsidentschaft, was durch die Annahme dieses Vorschlags durch den Europarat in Form von „Schlussfolgerungen des zur Früherkennung und Behandlung von Kommunikationsstörungen bei Kindern, einschließlich des Einsatzes von e-Health-Instrumenten und innovativer Lösungen“ bestätigt wurde.
Es ist erwähnenswert, dass Prof. Henryk Skarżynski und Prof. Piotr Skarżynski die Gründungsmitglieder des World Hearing Forums sind, das unter der Schirmherrschaft der WHO arbeitet.